Nr. 79/2021
Wahrheit / Anhörung bei schweren Vorwürfen / Fairness

(Alpine Air Ambulance c. «Tages-Anzeiger»)

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I. Sachverhalt

A. Am 7. Juni 2021 erschien im «Tages-Anzeiger» und in weiteren Blättern von Tamedia, auch online, ein ausführlicher Text unter dem Titel «Der Machtkampf der fliegenden Retter». Untertitel: «Die Rega und Alpine Air Ambulance ringen um die Vorherrschaft am Zürcher Himmel. Es geht um kostbare Sekunden bei Rettungseinsätzen, Prestige – und um viel Geld». Gezeichnet ist der Artikel von Lisa Aeschlimann und Corsin Zander. Darin wird erläutert, dass «Schutz und Rettung Zürich» (SRZ) in einer modernen Zentrale am Flughafen Kloten darüber entscheidet, mit welchen Mitteln auf welche Notfallmeldung im Grossraum Zürich, Schaffhausen, Zug und Schwyz reagiert wird. Falls Helikopter zum Einsatz kommen sollen, habe dort früher das Prinzip «Rega First» gegolten. Es sei immer diese, die Schweizerische Rettungsflugwacht, gewesen, welche als erste losgeschickt worden sei. Seit 2018 gelte aber das «Nächst-Best»-Prinzip. Der nächstgelegene Helikopter fliege. Damit kämen jetzt auch Helikopter der Firma «Alpine Air Ambulance» (AAA) zum Einsatz. Aus der Sicht von SRZ sei dies im Ergebnis befriedigend, man könne so schneller Hilfe leisten. Das habe aber – so der Artikel weiter – zu Spannungen zwischen den beiden Betreibern geführt. Dabei gehe es um viel Geld allein schon angesichts der hohen Kosten für Fluggerät und Infrastruktur, es gehe aber auch um Prestige und es gehe um Alphamänner, die nicht nachgeben wollten. Die Rega beklage, dass die SRZ-Zentrale die AAA mit Aufträgen bevorzuge, die AAA fühle sich dabei missverstanden und die SRZ sehe sich als «Spielball im Luftkrieg». Man «deckt sich gegenseitig mit Beschwerden ein». In der Folge werden die drei Beteiligten einzeln besucht, vorgestellt mit ihren Interessen und Absichten.

Zuerst die Rega, die als erste Luftrettungsorganisation dieses Gewerbe lange alleine betrieben und geprägt habe, die von über 3,5 Millionen Gönnern in der ganzen Schweiz unterstützt werde, welche sich wiederum im Notfall über die Telefonnummer 1414 häufig gleich direkt an sie wendeten und nicht über die 144, die Rettungszentralen der Kantone. Für die Rega und deren Chef, den ehemaligen «Haslitaler Bergführer» Ernst Kohler, stehe hinsichtlich möglicher Auswirkungen im ganzen Land viel auf dem Spiel im Zürcher Streit. Die Rega führe über hundert Fälle auf, bei denen sich in Zürich durch die Bevorzugung der Konkurrenz AAA eine Rettung verzögert habe. Als Grund für die Bevorzugung sehe man bei der Rega personelle Verflechtungen zwischen SRZ und AAA. Zudem entsprächen die AAA-Helikopter nicht den geltenden europäischen Normen, sie seien zu klein, um Patienten angemessen zu versorgen.

Als zweites wird die SRZ-Einsatzzentrale auf dem Flughafen vorgestellt mit deren Leiter, Theo Flacher, dem «ehemaligen Kommandanten der Flughafenfeuerwehr». Diese hochmoderne Zentrale entscheide über alle Notfall-Einsätze. Flacher erkläre, hier könne am besten entschieden werden, welches Rettungsmittel das geeignetste sei, ob Ambulanz (in den allermeisten Fällen), Notarzt, Feuerwehr, Helikopter oder Flugzeug. Oder welche Kombination von allem. Diese Art der übergreifenden Einsatzplanung sei die effizienteste und müsste eigentlich im ganzen Land zur Anwendung kommen. Flacher zählt auf, wo aus seiner Erfahrung die Rega Vorteile biete, wo die AAA. Dass seine SRZ die AAA bevorzuge, stimme nicht. Und personelle Verflechtungen seien in der Branche üblich und sogar gewünscht, damit die erforderliche Fachkenntnis erworben werden könne.

Der dritte Besuch gilt der AAA. Dort wehrt sich der Chef und Inhaber des Unternehmens, Jörg Fleischmann, gegen den Vorwurf, seine Helikopter entgegen den Vorschriften so zu platzieren, dass er an mehr Aufträge («Nächst-Best») herankomme. Solche «Tagesbasen» seien rechtens, davon sei er überzeugt. Der passionierte Pilot betont, er mache diese Arbeit mit Herzblut, sein Idealismus werde zu wenig wertgeschätzt. Ihm gehe es um die Patienten. Die Zusammenarbeit mit SRZ verlaufe völlig normal, in den von der Rega aufgeführten Fällen von Verzögerungen bei AAA-Einsätzen sei dieser laut Untersuchungen des Kantons nichts vorzuwerfen. Und dass ihre Helis zu klein seien, sei «schlicht und ergreifend falsch». Alle ihre Helikopter entsprächen den geltenden Normen.

Abschliessend stellen die Autorin und der Autor fest, dass die Behörden sich noch einige Zeit mit den beiden Luftretterinnen würden beschäftigen müssen. Die Frage, ob die Helis der AAA zu klein seien, werde vom Kanton geprüft, der von SRZ verwendete Algorithmus zur Bestimmung der Einsatzmittel und Organisationen werde ebenfalls noch überprüft und über die 102 Fälle, in denen die Rega benachteiligt worden sein soll, sei diese im Gespräch mit dem Kanton. Wenn es keine Einigung gebe, werde die Rega das, gleich wie die personellen Verflechtungen, in einer weiteren Beschwerde klären wollen. Es drohten also weitere Schlachten, wobei unklar sei, wer gewinne, der Bergführer, der Kommandant oder der Millionär.

B. Am 24. August 2021 reichte die AAA, vertreten durch eine Anwältin, eine Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Sie macht geltend, der Artikel verletze den Ingress (Fairnessprinzip), die Ziffern 1 (Wahrheit), 2 (Kommentare), 3 (Unterschlagen wichtiger Elemente) und 7 (nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») sowie insbesondere auch die Richtlinien 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) und 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen).

a) Die Beschwerdeführerin AAA (BF) sieht das Wahrheitsgebot (Ziffer 1 der «Erklärung») verletzt, weil der «Tages-Anzeiger» (TA) – im Rahmen einer «einseitigen Berichterstattung zugunsten der Rega» – behaupte, man habe sich gegenseitig mit Beschwerden eingedeckt. Das sei faktenwidrig, die AAA habe nie eine Beschwerde gegen die Rega eingereicht. Ebenso treffe es nicht zu, dass die AAA schon seit längerem im Kanton Aargau bevorzugt aufgeboten werde. Auch dort werde nach dem «Nächst-Best»-Prinzip aufgeboten. Das ergebe sich klar aus einer – im Folgenden zitierten – Antwort des Aargauer Regierungsrates. Weiter stelle der TA folgende «falsche Behauptungen» der Rega als Tatsache hin: dass Rega-Gönner teuer dafür zahlen müssten, wenn sie von AAA gerettet würden, dass SRZ die AAA bevorzuge, die AAA-Helikopter zu klein seien und dass es unlautere personelle Verflechtungen gebe zwischen SRZ und AAA. All dies treffe nicht zu, verletze die Wahrheitspflicht.

b) Richtlinie 2.3, das Gebot der Trennung von Fakten und Kommentar, sieht die BF verletzt, weil der subjektive Vorwurf der Rega, AAA werde im Kanton Aargau bevorzugt, als objektive Tatsache dargestellt werde.

c) Das Prinzip der Fairness sieht die BF verletzt, weil der TA von ihren zweistündigen Erläuterungen gegenüber dem Redaktorenteam im Artikel nur herzlich wenig bis gar nichts erwähnt, sondern stattdessen einseitig die «Rega-Agenda» verbreitet habe. Auch seien drei Vorfälle erwähnt, bei denen AAA Aufträge nicht habe erledigen können und stattdessen mit zeitlichem Verzug ein Rega-Helikopter habe angefordert werden müssen. Diese Fälle aber habe die Gesundheitsdirektion überprüft mit dem Ergebnis, dass kein Fehlverhalten der AAA vorgelegen habe. Unfair sei auch die Wortwahl im Artikel, wenn der Inhaber von AAA als «Selfmade-Millionär» bezeichnet werde. Das sei salopp, herablassend, diskriminierend und unfair, die beiden anderen Herren würden umgekehrt sachlich korrekt als Bergführer und Kommandant vorgestellt.

d) Schliesslich werde das Transparenzprinzip verletzt, weil die Leserschaft nicht darüber informiert werde, dass die Autorin Lisa Aeschlimann ein mehrmonatiges Volontariat bei der Rega absolviert habe. Sie sei weder objektiv noch unvoreingenommen. Das habe sich in mehreren Passagen gezeigt. Etwa wenn sie die Erläuterungen von AAA über Aussenlandeplätze nicht wirklich zur Kenntnis genommen habe oder wenn sie im Gespräch ausdrücklich gesagt habe, sie frage jetzt «aus der Sicht der Rega», ob die AAA nicht Rosinenpickerei betreibe. Das zeige ihre Voreingenommenheit, dabei habe man ihr doch erklärt, wie das Prinzip «Nächst-Best» funktioniere. Die Haltung der Autorin sei unfair und belege ihre Voreingenommenheit zugunsten der Rega.

C. Mit Beschwerdeantwort vom 18. Oktober 2021 beantragte der Rechtsdienst der TX Group, zu welcher der «Tages-Anzeiger» gehört, die Beschwerde abzuweisen.

a) Die Wahrheitspflicht, Ziffer 1 der «Erklärung», sei nicht verletzt worden, wenn im Artikel davon die Rede gewesen sei, man decke sich mit Beschwerden ein. Man habe nicht behauptet, die Beschwerden erfolgten «gegenseitig». Es werde vielmehr in der Folge dargestellt, dass die Beschwerden von Seiten der Rega kämen und vor allem die unfaire Behandlung durch die SRZ beträfen. Die Wortwahl möge unglücklich gewesen sein, aber nicht wahrheitswidrig. Dass die AAA im Aargau bevorzugt behandelt werde, sei wahrheitsgemäss, das ergebe sich schon aus der von der BF selber zitierten Stellungnahme des Regierungsrates, welche davon spreche, dass bei entsprechender Verfügbarkeit eines AAA-Helikopters auf dem Birrfeld dieser «durch die Einsatzstelle 144 primär aufgeboten» werde. Dass die Rega die Kosten beim Transport von Gönnern nicht immer übernehme, sei korrekt dargestellt, indem nur geschrieben worden sei, «Organisiert diese einen allfälligen Helikoptereinsatz, kann sie die Rettungskosten übernehmen». Die Aussage, wonach SRZ die AAA bevorzuge, sei nicht wie behauptet als Tatsache dargestellt, sondern ganz klar der Rega als Parteimeinung zugeschrieben worden. Ebenso die Kritik, wonach die AAA-Helikopter zu klein seien. Dies sei zum einen der Rega zugeschrieben und nicht als Fakt behauptet, der TA habe weiter darauf hingewiesen, dass diesbezüglich eine Abklärung laufe und, vor allem, habe er festgehalten, dass die AAA diesen Vorwurf als «schlicht und einfach falsch» bezeichne. Mit alledem könne die Wahrheitspflicht nicht verletzt sein. Und bezüglich der von der Rega ins Feld geführten personellen Verflechtung, welche Grund für die Bevorzugung von AAA sein könne, wird von Seiten des TA argumentiert, man habe den Chef von SRZ genau mit dieser Frage konfrontiert, dieser habe das klar verneint und erläutert, dass und wozu es bisweilen Verflechtungen gebe, sogar geben müsse.

b) Zu Richtlinie 2.3 (Vermischung von Fakten und Kommentar): Die Feststellung, dass AAA im Aargau bevorzugt aufgeboten werde, stütze sich – so die Redaktion in ihrer Antwort – auf die Antwort des Regierungsrates, welcher davon spreche, dass AAA «primär» aufgeboten werde, wenn deren Helikopter auf dem Birrfeld verfügbar sei. Die Feststellung mit ihrer Zuordnung sei also nachweislich richtig gewesen, damit werde nicht Fakt und Meinung vermischt.

c) Fairness und in diesem Zusammenhang das Anhören bei schweren Vorwürfen (Ingress und Richtlinie 3.8): Der TA bestreitet, eine allfällige Anhörungspflicht verletzt und unfair berichtet zu haben. Man habe mit allen Seiten sehr lange gesprochen, sie angehört. Und man habe sie alle im Artikel zu Wort kommen lassen. Dass nicht alle gleich lang zum gleichen Thema zitiert wurden, sei durch die Praxis des Presserats zur Richtlinie 3.8 gedeckt. Insbesondere in diesem Fall, in welchem primäres Ziel der Kritik gar nicht die BF, sondern die SRZ gewesen sei. Was die drei in einer Beschwerde der Rega erwähnten Fälle angeht, in welchen Einsätze der AAA hätten abgebrochen und Rega-Helikopter aufgeboten werden müssen, werde im Artikel klar festgehalten, was das Ergebnis der diesbezüglichen Untersuchung gewesen sei, darin könne keine tendenziöse Berichterstattung gesehen werden. Dasselbe gelte für die Bezeichnung des AAA-Chefs: Dieser sei fraglos ein Selfmade-Millionär, es sei eine Tatsache, dass der CEO von AAA Millionen selbst erwirtschaftet habe. Die Bezeichnung sei weder unfair und schon gar nicht diskriminierend.

d) Der Vorwurf mangelnder Transparenz sei haltlos und falsch. Im Artikel anzugeben, dass die Co-Autorin Aeschlimann einen Stage bei der Rega absolviert habe, sei unnötig gewesen und wäre auch völlig unüblich. Denn das sei sechs Jahre her und habe nur vier Monate gedauert. Selbst wenn man das nicht – positiv – als Erwerb von Fachwissen bewerten wolle, sei klar, dass eine allfällige Karenzfrist nach sechs Jahren längst abgelaufen wäre. Der diesbezüglich von der BF angesprochene Fall 26/2021 sei mit dem vorliegenden in keiner Weise vergleichbar. Dort habe eine Befangenheit bestanden, weil nicht deklariert wurde, dass der Autor des kritischen Artikels der Sohn des betroffenen Protagonisten gewesen sei.

D. Am 21. August 2020 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Präsidium behandelt, bestehend aus Susan Boos, Präsidentin, Annik Dubied, Vizepräsidentin, Max Trossmann, Vizepräsident, und Ursina Wey, Geschäftsführerin.

E. Das Präsidium des Presserats hat die vorliegende Stellungnahme am 24. Dezember 2021 verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Ziffer 1 der «Erklärung» und die zugehörige Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) verpflichten Journalisten und Journalistinnen auf die Wahrheit.
– Die Formulierung, wonach die beiden Helikopterunternehmungen einander mit Beschwerden eindeckten, ist so in der Tat nicht korrekt, die formellen Beschwerden kamen nur von einer Seite. Unbestritten ist aber, dass zwischen den beiden Parteien gegenseitig heftige Vorwürfe ausgetauscht werden. Insofern ist die Formulierung ungenau, besser wäre gewesen von «Beschwerden und Vorwürfen» zu schreiben. In seiner Praxis unterscheidet der Presserat zwischen Ungenauigkeiten im Sinne von handwerklichen Fehlern und regelrechten falschen Informationen. Der Presserat sieht hier eine ungenaue Formulierung, keinen eigentlichen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht. Die beiden Parteien beschuldigen sich effektiv gegenseitig.
– Dass die AAA im Kanton Aargau bevorzugt werde, erscheint mittels eines amtlichen Dokuments belegt. Dies angesichts des von der BF selber eingereichten Zitats des Aargauer Regierungsrats, der generell davon spricht, dass die AAA «primär» angefragt werde, sofern sie einen Helikopter auf dem Birrfeld stationiert habe.
– Dass es für Rega-Gönner wesentlich teurer werde, wenn sie von der AAA geflogen werden, hat der Artikel nicht absolut, sondern mit einer «kann»-Formulierung beschrieben. Das ist nicht falsch.
– Und dass die drei Fälle von Verzögerungen bei AAA-Rettungseinsätzen, welche die Rega in einer früheren Beschwerde geltend gemacht hatte, von den Behörden nicht als Fehlverhalten der AAA gewertet wurden, trifft zu. Das heisst aber nicht, dass sie nicht stattgefunden hätten.
– Dass die AAA von der SRZ bevorzugt werde, wird nicht, wie von der BF behauptet, als Tatsache dargestellt, sondern klar deklariert als Parteimeinung, als Vorwurf der Rega, mit welchem die SRZ und die AAA denn auch konfrontiert wurden. Dasselbe gilt für den Vorwurf, die AAA-Helikopter seien zu klein. Auch das wird als Vorwurf der Rega geschildert und nicht, wie von der BF behauptet, als Tatsache, die AAA konnte auch hierzu Stellung nehmen und wird damit auch zitiert. Dasselbe gilt auch für die Frage der behaupteten personellen Verflechtungen von SRZ und AAA: Keine Tatsachen-behauptung, sondern eine klar erkennbare Parteimeinung, die Gegenpartei SRZ wurde damit konfrontiert.
Die Ziffer 1 (Wahrheitspflicht) der «Erklärung» wurde somit nicht verletzt.

2. Richtlinie 2.3 verlangt eine für die Leserschaft klar erkennbare Trennung von Faktenbeschrieb und Kommentar. Die BF sieht dieses Gebot dadurch verletzt, dass eine Bevorzugung von AAA durch die Aargauer Regierung im Sinne einer Meinungsäusserung der Autoren behauptet werde. Das trifft nicht zu. Der Sachverhalt ist durch eine hinreichende Quelle (Regierungsrat Kanton Aargau) als Fakt belegt. Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) ist nicht verletzt.

3. Richtlinie 3.8 verlangt, dass eine betroffene Partei im Falle von «schweren Vorwürfen» angehört werden muss. Die AAA hat Gelegenheit erhalten, den beiden Autoren ihren Standpunkt ausführlich darzulegen. Von dieser Unterhaltung ist eine Anzahl von Zitaten im Artikel enthalten. Dass nicht alle von der BF als wichtig erachteten Erläuterungen eines zweistündigen Gesprächs in einem Zeitungsartikel erscheinen, versteht sich von selbst, eine Stellungnahme gemäss Richtlinie 3.8 müsste denn auch nicht zwangsläufig gleich ausführlich sein, wie die Schilderung der übrigen Beteiligten oder die der Ausgangslage.
Richtlinie 3.8 zur «Erklärung» wurde nicht verletzt. Damit kann auch offen bleiben, ob die zitierten Vorwürfe der Rega überhaupt «schwer» im Sine der Richtlinie 3.8 (illegales oder vergleichbares Verhalten) gewesen sind.

4. Das im Ingress der «Erklärung» festgehaltene Fairnessprinzip untersagt es unter anderem, eine Partei anderen gegenüber zu bevorteilen.
– Der Presserat sieht dafür keinen Anhaltspunkt: Dass die Haltung der AAA «unter den Tisch gewischt» worden sei, lässt sich aufgrund des Textes nicht nachvollziehen, auch nicht, dass hier nur «die Agenda der Rega» ausgebreitet worden sei. Der Artikel hat legitimerweise die von der grossen, nationalen Rettungsorganisation vorgebrachten Anliegen und Kritiken thematisiert, die mit dem Strukturwandel in Zürich verbunden sind, er hat die übrigen Beteiligten damit konfrontiert sowie deren eigene Sichtweisen dargestellt. Dagegen ist nichts einzuwenden.
– Wenn die BF beklagt, ihr Eigentümer sei mit «Selfmade-Millionär» in unfairer Weise despektierlich und herablassend etikettiert und diskriminiert worden, so ist festzustellen, dass der Ausdruck den Sachverhalt trifft. Einen Millionär, der sich seinen Reichtum selber erschaffen hat, als «Selfmade-Millionär» zu bezeichnen, ist sachgerecht, nicht unfair und sicher nicht diskriminierend.

5. Intransparenz, Befangenheit:
– Dass sich der TA zum Sprachrohr der Rega gemacht habe, lässt sich mit dem vorliegenden Text, wie eben erwähnt, nicht belegen.
– Dass die Autorin einen Stage bei der Rega absolviert hat, kann nicht per se als Zeichen der Voreingenommenheit gewertet werden. Vor-Erfahrung in einem bestimmten Sachgebiet ist im Journalismus grundsätzlich erwünscht und häufig zu beobachten. Hier erscheint dieser Sachverhalt umso mehr als unbedenklich, weil der Stage kurz war, schon sechs Jahre her und der Text in seiner Anlage nicht als einseitig erscheint. Es werden die strukturellen Probleme geschildert, mit denen die «nationale Institution» Rega seit dem Auftreten eines Konkurrenten konfrontiert ist und zwar speziell in Verbindung mit der neuartigen Alarm-Struktur der SRZ.
– Wenn die Autorin bei der Befragung der AAA ausdrücklich voranstellt, dass sie «jetzt aus der Sicht der Rega» frage, dann ist das eine in Interviews übliche, Transparenz schaffende Formulierung, die signalisiert, dass man nicht eine eigene, sondern die Position einer anderen Partei zur Diskussion stellt. Damit ist jedenfalls sicher nicht Einseitigkeit bewiesen.
Die «Erklärung» wurde weder unter dem Gesichtspunkt der Fairness noch der Transparenz verletzt. Der Artikel mag nicht ausgesagt haben, was die Beschwerdeführerin sich gewünscht hätte, das heisst jedoch nicht, dass er die «Erklärung» verletzt hat.

III. Feststellungen

1. Der Presserat weist die Beschwerde ab.

2. Der «Tages-Anzeiger» hat mit dem Artikel «Der Machtkampf der fliegenden Retter» die Ziffern 1 (Wahrheit), 2 (Trennung Fakten und Kommentar), 3 (Anhören bei schweren Vorwürfen) und das Fairnessprinzip der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.