Nr. 49/2010
Einseitige Berichterstattung / Trennung von Fakten und Kommentar

(Freidenker-Vereinigung der Schweiz c. Schweizer Fernsehen /«Kulturplatz»)

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I. Sachverhalt

A. Am 6. Oktober 2010 strahlte die Sendung «Kulturplatz» des Schweizer Fernsehens unter dem Titel «Gefährliche Scherze – über Humor in global vernetzter Zeit» einen Beitrag von Stefan Zucker über Molly Norris, einer Karikaturistin einer Lokalzeitung im amerikanischen Seattle aus. Norris sei so naiv gewesen, via Facebook eine Mohammedkarikatur im Internet zu veröffentlichen. «Ihr Scherz über den Propheten Mohammed ging um die Welt. Nun bezahlt sie ihn mit dem Verlust ihrer Identität. Molly Norris musste unter falschem Namen abtauchen.» Ihre Geschichte beweise, welche Eigendynamik brisante Äusserungen in Zeiten von Internet und sozialen Netzwerken in kürzester Zeit entfalten könnten.

B. Am 14. Oktober 2010 richtete die Freidenker-Vereinigung der Schweiz (FVS) eine Beschwerde gegen die obengenannte Sendung an den Presserat. Die FVS beanstandet, die im Bericht enthaltene Aussage der Sprecherin, «die Amerikaner beharren kaltschnäuzig auf ihrem Recht Mohammed abzubilden, obwohl das dem Abbildungsverbot in islamischen Ländern diametral entgegensteht», entspreche «einer tendenziösen Darstellung des Konflikts zwischen Niederlassungsfreiheit und religiöser Empfindlichkeit».

Weiter rügt die Beschwerdeführerin die im Beitrag wiedergegebene «einseitige Stellungnahme» des Islamwissenschaftlers Reinhard Schulze, wonach Meinungsäusserungsfreiheit und der Respekt vor anderen Kulturen gleichwertig seien. «Die Meinungsäusserungsfreiheit ist ein verfassungsmässiges Recht. Der Respekt vor Meinungen, Ideologie und Religionen ist kein verfassungsmässiger Anspruch. Dieser Sachverhalt hätte durch Beizug eines Juristen adäquat dargestellt werden müssen. Es ist verheerend, wenn die Deutung dieses Konflikts allein einem – unter Fachkollegen umstrittenen – islamfreundlichen Islamwissenschaftler überlassen wird.»

Schliesslich insinuierten Äusserungen wie «Der Respekt kommt zu spät» und «Der Fall Molly Norris zeigt, dass jeder Funke zum Flächenbrand werden kann», dass es nur ein gebotenes Verhalten gebe, «nämlich im voraus auf die Meinungsäusserungsfreiheit zu verzichten und im Namen des ‹Respekts› religiöse Dogmen von der Kritik auszunehmen».

Mit dieser einseitigen Berichterstattung habe «Kulturplatz» die Ziffer 2 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Trennung von Fakten und Kommentar) verletzt. Das Publikum sei nicht in der Lage gewesen, die Informationen zu gewichten und einzuordnen.

Die gleiche Beanstandung werde zudem auch dem SRG-Ombudsmann vorgelegt.

C. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements des Presserats werden Beschwerden, auf die der Presserat nicht eintritt, vom Presseratspräsidium behandelt.

D. Das Presseratspräsidium bestehend aus Presseratspräsident Dominique von Burg, Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und Vizepräsident Edy Salmina hat die vorliegende Stellungnahme per 3. Dezember 2010 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Gemäss Art. 10 Abs. 1 seines Geschäftsreglements tritt der Presserat nicht auf eine Beschwerde ein, wenn diese offensichtlich unbegründet erscheint. Zudem tritt der Presserat gemäss Art. 10 Abs. 2 des Geschäftsreglements bei parallel hängigen Verfahren nur dann auf eine Beschwerde ein, sofern sich berufsethische Grundsatzfragen stellen.

2. Für den Presserat ist die Kritik der Beschwerdeführerin an der beanstandeten Sendung offensichtlich unbegründet. Der Beitrag macht als Ganzes überhaupt keinen einseitigen Eindruck, sondern zeichnet die Geschichte der amerikanischen Karikaturistin nüchtern nach.

Ohnehin leitet der Presserat gemäss seiner ständigen Praxis aus der «Erklärung» keine Pflicht zu «objektiver Berichterstattung» ab. Vielmehr ist es im weit auszulegenden Rahmen der Freiheit des Kommentars und der Kritik berufsethisch auch zulässig, parteiergreifend zu berichten (vgl. z.B. die Stellungnahme 20/2010). Soweit die Beschwerdeführerin den beanstandeten Beitrag als «einseitig und tendenziös» wertet, fällt deshalb die Feststellung einer Verletzung berufsethischer Pflichten von vornherein ausser Betracht. Hinzu kommt, dass die Beschwerde ausschliesslich Wertungen und Einschätzungen beanstandet, die für das Publikum als solche erkennbar sind.

3. Ist schon deshalb nicht auf die Beschwerde einzutreten, weil sie dem Presserat offensichtlich unbegründet erscheint, braucht – ungeachtet der bei der Ombudsstelle und beim Presserat parallel hängigen Verfahren – nicht näher geprüft zu werden, ob die Beschwerde berufsethische Grundsatzfragen aufwirft.

III. Feststellungen

Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.