Nr. 18/2021
Wahrheit / Trennung von Fakten und Kommentar / Anhörung bei schweren Vorwürfen

(FC Basel c. «bz – Zeitung für die Region Basel»)

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I. Sachverhalt

A. Am 27. August 2020 erschien in der «bz – Zeitung für die Region Basel» (bz) und im CH Media-Verbund ein Artikel von Céline Feller unter dem Titel: «Die nächste Respektlosigkeit: Der Umgang mit FCB-Stürmer Ricky van Wolfswinkel macht auch die Spieler wütend auf die Klub-Bosse». Untertitel: «Ricky van Wolfswinkel wird den FC Basel verlassen. Weil sein Vertrag ausläuft – und er die Schnauze voll hat vor Respektlosigkeiten. Die Hintergründe zum nächsten Abgang.»

Im Artikel wird berichtet, der holländische Stürmer des FC Basel, Ricky van Wolfswinkel, werde den FC Basel verlassen, weil er von der Vereinsleitung respektlos behandelt worden sei. Er sei über das Vorgehen des Präsidenten Bernhard Burgener und des CEO Roland Heri enttäuscht, wütend und spreche von einem unfassbaren Verhalten. Die beiden hätten ihn zu einem Termin zitiert, erschienen seien sie aber nicht. Schliesslich habe van Wolfswinkel sich entschieden, zu gehen, noch bevor ihm schliesslich erklärt worden sei, man verzichte auf seine Dienste. Der Umgang mit dem Holländer stosse auch bei seinen Mitspielern sauer auf, weil er beispielhaft sei dafür, wie der Verein mit verdienten Mitarbeitern umgehe. Van Wolfswinkel könnte nicht der Einzige sein, der den Verein verlasse. Taulant Xhaka, ein loyaler FCB-Spieler, werde ebenfalls hingehalten, wie zuvor schon Alex Frei und, eben, van Wolfswinkel.

Am 30. August 2020 erschien ein zweiter Artikel in der bz zur Lage beim FC Basel, gezeichnet von Céline Feller und Jakob Weber. Titel: «Weil alles brach liegt: Die Spieler wollen weg, die Angestellten kündigen – dem FCB droht der Exodus». Untertitel: «Die Lage beim FCB spitzt sich zu. Alle Spieler suchen neue Klubs, neben dem Rasen gibt’s Massenkündigungen. Es droht ein Exodus.»

Der Artikel berichtet, nach Führungspersonen, Nachwuchs- und Profitrainern, welche den Verein bereits verlassen hätten und den Fans, welche gegen Burgener und Heri protestierten, sei auch die Mannschaft des FC Basel wütend. Es könnte zum grossen Exodus kommen, entweder noch in diesem Sommer oder allenfalls auch später, wenn sich unter dem neuen Trainer Ciriaco Sforza die Lage nicht verbessere. Nicht nur «Legionäre» schauten sich nach neuen Vereinen um, sondern auch Spieler, die sich mit dem Verein seit langem identifizierten. Es wird verwiesen auf den Fall van Wolfswinkel, aber auch Taulant Xhaka habe keine Lust mehr auf einen Verbleib. Er rede nur – wie alle anderen – nicht öffentlich darüber, das tue die ganze Mannschaft nicht. Torhüter Jonas Omlin habe auch nicht nur nach Montpellier gewechselt, weil das Angebot dort attraktiv gewesen sei, sondern weil er einfach weg wollte. «Zu viel der Unruhen, der Unprofessionalität, der Abschätzigkeiten.» So gehe es – sei zu hören – allen Basler Spielern. Es fehle im Verein an Integrität, Zusammenhalt, Ehrlichkeit und vor allem Menschlichkeit. Die Fans würden zu Kunden herabgestuft und die Spieler würden öffentlich desavouiert, wenn sie keine Leistung brächten. Deswegen wollten alle gehen. Ein kleiner Funken Hoffnung bestehe in der Verpflichtung des neuen Trainers Sforza. Neben der bekannten Kündigung von Alex Frei hätten bereits elf weitere Personen aus der Verwaltung gekündigt und die Zahl werde weiter steigen, neben dem Rasen, aber vor allem darauf.

Quellen für die aufgelisteten Kritiken und Vorwürfe werden an keiner Stelle genannt mit der Begründung, dass sich die Quellen nicht selber belasten wollten.

B. Am 12. Oktober 2020 reichte der FC Basel (Beschwerdeführer, BF), vertreten durch einen Anwalt, Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Er macht geltend, die beiden Artikel verletzten die Ziffern 1 (Wahrheitspflicht) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend «Erklärung») mit der Richtlinie 1.1, weiter die Ziffer 2, insbesondere Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) und die Ziffer 3 (Unterschlagung wichtiger Informationen), insbesondere auch Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen).

Die Ziffer 1 der «Erklärung» und die zugehörige Richtlinie 1.1 (Wahrheitssuche) seien vielfach verletzt worden. Etwa mit der Behauptung, es gebe grossen Unmut unter den Spielern, was nicht stimme. Mit der Behauptung, Ricky van Wolfswinkel werde den Verein verlassen. Das habe er weder gewollt noch getan, er habe seinen Vertrag verlängert. Entsprechend seien auch all die genannten dazugehörigen «Hintergründe» falsch. Auch Taulant Xhaka sei nicht «wütend» gewesen. Die Aussage «Alle Spieler suchen neue Klubs» im Untertitel des zweiten Artikels sei sicher falsch, nicht belegt und dadurch widerlegt, dass die meisten Spieler für die neue Saison unterschrieben hätten; der Beschwerde liegt eine Liste der Verträge mit den beim Klub gebliebenen Spielern bei. Weder auf noch neben dem Rasen sei es zu «Massenkündigungen» gekommen.

Den Verstoss gegen die Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar) sieht der FC Basel darin begründet, dass die bz seitenweise «Gerüchte, Behauptungen, Unterstellungen» in die Welt setze, ohne je eine Quelle anzugeben. Der Quellenschutz dürfe nicht dazu dienen, irgendwelche «eigene Erfindungen» von Medienschaffenden als Tatsachenbericht zu präsentieren. Wenn solches verbreitet werde, müsse das wenigstens als Meinung gekennzeichnet werden, das sei hier nicht der Fall gewesen.

Richtlinie 3.8 sei verletzt, weil die Artikel eine Vielzahl von Vorwürfen und Anschuldigungen gegen das Management des FC Basel enthielten, zu denen die Betroffenen hätten befragt werden müssen.

C. Mit Beschwerdeantwort vom 30. November 2020 beantragte die «CH Regionalmedien AG» (Beschwerdegegnerin, BG) für die «bz – Zeitung für die Region Basel» auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, denn die beiden Artikel seien ausführlich recherchiert, belegt und sachlich abgefasst. Es liege kein Verstoss gegen die «Erklärung» vor. Falls dennoch eingetreten werde, sei die Beschwerde sei abzuweisen.

Zunächst hält die bz fest, für die Beurteilung eines Artikels könne nicht die Entwicklung im Nachhinein massgebend sein, sondern der relevante Zeitpunkt seien die Sachverhalte zur Zeit der Niederschrift. Der FCB führe seine Beschwerde über die damalige Lagebeurteilung aus der Sicht zwei Monate danach, das sei stossend und rechtsmissbräuchlich.

Zur Wahrheitspflicht (Ziffer 1): Wenn im Titel des ersten Artikels von einer «nächsten Respektlosigkeit» berichtet worden sei, dann habe dies einen Bezug hergestellt zu der früheren Behandlung von Alex Frei, über dessen Kündigung und deren Umstände damals gerade erst breit berichtet worden sei, sowie zu der Affäre «Lohnreduktion», bei der sich die Spieler gezwungen gesehen hätten, die Darstellung des Managements öffentlich richtigzustellen. Und die «nächste» Respektlosigkeit, die Behandlung von van Wolfswinkel sei sehr wohl abgestützt, sie sei der Autorin von diesem selber so geschildert worden. Die Behauptung, er, van Wolfswinkel, werde gehen, der kommende Cupfinal werde sein letztes Spiel sein, habe zum fraglichen Zeitpunkt gestimmt, er habe das an jenem 26. August auf Instagram selber so kommuniziert, mit der Begründung, es habe ihm kein akzeptables Vertragsangebot vorgelegen. Die BG zitiert hierzu auch eine Medienmitteilung des FC Basel, welche den Sachverhalt selber so bestätigt habe. Hier sei nichts wahrheitswidrig dargestellt worden. Das gelte auch für die weiteren Passagen betreffend van Wolfswinkel.

Ebenso beträfen die Aussagen im zweiten Artikel Sachverhaltsdarstellungen, die von Schilderungen Betroffener stammten. Dass Spieler sich nach neuen Vereinen umgeschaut hätten, sei der bz von zwei unabhängigen Quellen berichtet worden und stimme für den damaligen Zeitpunkt, auch wenn sich die Lage später wieder verändert habe. Dass damals eine erhebliche Anzahl von Mitarbeitern gekündigt habe, stimme ebenfalls: Die BG legt dafür eine Liste von 12 Personen vor, teils mit, teils ohne Namen. Auch weitere Personen, die weiterhin für den Klub arbeiteten, hätten sich kritisch über Burgener und Heri geäussert. Dass wenig menschliche Wärme vorherrsche, habe der neue Klubpräsident Reto Baumgartner selber öffentlich so festgestellt.

Zum Vorwurf, reine unbelegte Meinungen als Fakten präsentiert zu haben (Verstoss gegen Richtlinie 2.3), erwidert die BG, das treffe nicht zu. Es lägen für sämtliche Äusserungen in den beiden Artikeln mindestens zwei unabhängige Quellen vor. Diese wollten aber «aus Angst vor Repressalien» nicht genannt werden. Das allfällige Nicht-Bekanntgeben von Quellen, das Redaktionsgeheimnis, sei eine Grundlage journalistischer Arbeit und durch Richtlinie 6.1 gedeckt.

Zum Vorwurf der nicht gewährten Anhörung bei schweren Vorwürfen argumentiert die BG, die Artikel hätten keine Vorwürfe enthalten, die gemäss der presserätlichen Praxis zur Richtlinie 3.8 «schwer» gewesen wären, also Illegales oder Gleichwertiges betroffen hätten. Hinzu komme, dass der FCB mehrere («sämtliche») Anfragen der Redaktion abgelehnt und damit selber auf eine Stellungnahme verzichtet habe.

D. Am 8. Dezember 2020 teilte der Presserat den Parteien mit, die Beschwerde werde vom Presseratspräsidium behandelt, bestehend aus dem Präsidenten Dominique von Burg sowie den Vizepräsidenten Casper Selg und Max Trossmann.

E. Das Presseratspräsidium hat die vorliegende Stellungnahme per 12. April 2021 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.

II. Erwägungen

1. Der Presserat tritt auf die Beschwerde ein. Der Einwand der «bz – Zeitung für die Region Basel», sie habe journalistisch sauber gearbeitet, entspricht nicht einem Nichteintretensgrund, wie ihn Art. 11 des Geschäftsreglements vorsieht.

2. Bei der Frage, ob die Zeitung mit ihrer Berichterstattung gegen die Wahrheitspflicht (Ziffer 1 der «Erklärung», Richtlinie 1.1 Wahrheitssuche) verstossen habe, steht an verschiedenen Punkten Aussage gegen Aussage, was eine Stellungnahme durch den Presserat in den jeweiligen Passagen nicht möglich macht. Allerdings belegt die BG in einigen Bereichen ihre Ausführungen. Instagram-Einträge des Spielers van Wolfswinkel belegen die Richtigkeit der beschriebenen und vom Beschwerdeführer bestrittenen (damaligen) Sachlage, dass er nämlich zu jenem Zeitpunkt den Klub effektiv verlassen wollte, dass also der Cupfinal sein letztes Spiel für den FCB sein werde («my time at fcbasel1893 is at its end»). Ebenso konzediert der BF in seinen Communiqués zur Beendigung und später zur Verlängerung des Vertrags mit dem Spieler van Wolfswinkel selber den zuvor bestandenen Dissens. Zur Stimmung im Klub: Die Charakterisierung des neuen Präsidenten, der von «wenig menschlicher Wärme» im Verein sprach, bestätigt mindestens einen Teil der negativen Charakterisierungen im zweiten Artikel. Dazu wird als Beleg auch Alex Frei erwähnt, der in seinem Kündigungsschreiben von verloren gegangenen «Werten/Haltungen» sprach und von «fehlendem Respekt» seitens der Führung. Dem BF ist zwar sehr wohl recht zu geben, wenn er betont, dass die in den beiden Artikeln hauptsächlich vorhergesagte Entwicklung (Exodus von Spielern steht vermutlich bevor) nicht eingetreten ist. Der BG ist umgekehrt darin zuzustimmen, dass für die Beurteilung der angeführten Fakten und Beurteilungen nicht die spätere Entwicklung massgebend sein kann, sondern die Faktenlage am Tag der Publikation. Einzig die Formulierung «Alle Spieler suchen neue Klubs» erscheint im Gesamtzusammenhang in ihrer Absolutheit als fragwürdig. Aber selbst wenn die Aussage so absolut nicht gestimmt haben mag, sieht der Presserat darin eine Übertreibung und keinen vollwertigen Verstoss gegen die Wahrheitspflicht, angesichts der Stimmen, die augenscheinlich von derartigen Fällen berichtet haben. Alles in allem sieht der Presserat bei der ihm vorliegenden Aktenlage keinen Verstoss, Ziffer 1 der «Erklärung» ist mit den beiden Artikeln nicht verletzt.

3. Der FC Basel kritisiert, in den beiden Artikeln würden viele ihn belastende Behauptungen aufgestellt, ohne dass je eine Quelle genannt werde. Das sei ein Missbrauch des Quellenschutzes von Richtlinie 6.1 und wäre nur vertretbar, wenn die entsprechenden Passagen als Kommentare gekennzeichnet gewesen wären. Die bz weist dies zurück mit dem Argument, ihr hätten für alle Darstellungen zwei verschiedene Quellen vorgelegen, der Quellenschutz müsse gewahrt bleiben, die Anonymisierung sei gerechtfertigt, wenn die Auskunftspersonen Repressalien fürchteten.

Die Spieler des FC Basel haben nach der Affäre «Lohnreduktion» unter sich Stillschweigen nach aussen beschlossen und auch kommuniziert. Dass in dieser Situation keine zitierbaren Statements von Spielern zu erhalten waren, ausser eben anonymisiert, leuchtet ein. In dieser Hinsicht ist die Berufung auf den Quellenschutz gerechtfertigt. Zu anderen Aspekten hat die Redaktion Belege beigebracht. Insoweit fehlt die Basis für die vom FCB geltend gemachte Charakterisierung der betreffenden Passagen als Kommentare. Der Presserat stellt fest: Kein Verstoss gegen Richtlinie 2.3 (Trennung von Fakten und Kommentar).

4. Der BF macht geltend, er hätte zu mehreren Vorwürfen angehört werden müssen. Der BG ist zuzustimmen, wenn sie feststellt, dass keiner der erhobenen Vorwürfe einem «illegalen oder damit vergleichbaren Verhalten» entsprach, wie dies der Presserat als Voraussetzung für einen «schweren» Vorwurf verlangt. Die Artikel kritisieren zwar das Verhalten des Managements des FC Basel scharf, seinen Führungsstil, seine Politik. Aber die bz wirft ihm kein illegales oder gleichwertiges Verhalten vor. Richtlinie 3.8 (Anhörung bei schweren Vorwürfen) ist nicht verletzt.

III. Feststellungen

1. Der Presserat weist die Beschwerde ab.

2. Die «bz – Zeitung für die Region Basel» hat mit den Artikeln «Die nächste Respektlosigkeit: Der Umgang mit FCB-Stürmer Ricky van Wolfswinkel macht auch die Spieler wütend auf die Klub-Bosse» vom 27. August 2020 und «Weil alles brach liegt: Die Spieler wollen weg, die Angestellten kündigen – dem FCB droht der Exodus» vom 30. August 2020 die Ziffern 1 (Wahrheit), 2 (Trennung von Fakten und Kommentar) und 3 (Anhörungspflicht) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.