Native Ads – Hüten wir unser Saatgut
Edito Susan Boos (Präsidentin Schweizer Presserat)
Native Ads, das ist die Art Werbung, die sich in die redaktionellen Teile reinschleicht und sich als journalistischer Inhalt verkleidet. Für die MedienkonsumentInnen sind Native Ads eine Falle. Sie sind nicht in der Lage zu erkennen, dass es sich um Werbung handelt. Nicht weil sie blöd sind, sondern weil die Wahrnehmung anders funktioniert. Werbung, die im selben Kleid daherkommt, wie die journalistischen Beiträge rundherum, nimmt der Mensch zwangsläufig als redaktionellen Inhalt wahr. Die Forschung hat das inzwischen belegt. Es hilft wenig, wenn irgendwo «Paid Content» oder «in Zusammenarbeit mit» steht.
Für uns JournalistInnen sind Native Ads ein Graus, weil wir uns schlecht dagegen wehren können und weil sie unsere Glaubwürdigkeit unterlaufen. Ein kluger britischer Medienwissenschaftler kommentierte das Thema einmal mit dem Satz: «Don’t eat your seeds.» Wer beginnt, das Saatgut zu essen, weil die Ernte miserabel ausfiel, kommt aus dem Hungern nicht mehr heraus, weil im nächsten Jahr nichts mehr da ist, was man säen könnte. Die Glaubwürdigkeit ist unser wichtigstes Gut und unser Saatgut.
Es gibt einen einfachen Ausweg: Klar und selbstbewusst sein – und dieselben Vorgaben anwenden, die die Schweizerische Lauterkeitskommission kennt. Während der Presserat sich dem fairen Journalismus verpflichtet fühlt, hütet die Lauterkeitskommission die faire Werbung. Wir sind Schwesterorganisationen im Dienste unserer Branchen.
Unsere Richtlinie 10.1 macht Vorgaben bezüglich «Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung». Da steht: «Die deutliche Trennung zwischen redaktionellem Teil/Programm und Werbung bzw. bezahltem oder durch Dritte zur Verfügung gestelltem Inhalt ist für die Glaubwürdigkeit der Medien unabdingbar. Inserate, Werbesendungen und bezahlte oder durch Dritte zur Verfügung gestellte Inhalte sind gestalterisch von redaktionellen Beiträgen klar abzuheben. Sofern sie nicht optisch/akustisch eindeutig als solche erkennbar sind, müssen sie explizit als Werbung deklariert werden. (…)»
Zusammengefasst: Native Ads müssen entweder klar als Werbung angeschrieben sein oder dann muss die Gestaltung ganz anders sein. Die Lauterkeitskommission regelt das sehr ähnlich. Nur ist sie strikter. Es gibt kein Entweder-oder, nur ein Und. Ein einziges Wort macht den grossen Unterschied. Das müssen wir übernehmen. Dann würde es heissen: Die Werbeinhalte «müssen optisch/akustisch eindeutig als solche erkennbar sein und explizit als Werbung deklariert werden». Dann lässt sich auf den ersten Blick erkennen: Hier kommt Werbung.
Diese eindeutige und unmissverständlich Unterscheidung wird in Zukunft noch existenzieller – denn noch wissen wir nicht, wie sich die von KI-Programmen generierten Inhalte in der Werbung breit machen werden. Wenn dann nicht klar zu erkennen ist, was Werbung und was Journalismus ist, wird es fast unmöglich, die Glaubwürdigkeit des Journalismus zu verteidigen.
Im Journalismus ist und bleibt eines klar: Die JournalistInnen und Redaktionen sind für alles verantwortlich, was sie publizieren – egal ob es mit oder ohne Hilfe von KI-Programmen bereitgestellt wurde. Der Journalismuskodex ist heute schon eine zuverlässige Richtschnur für den Umgang mit KI-Werkzeugen. Anfang Jahr wird der Presserat einen präzisierenden Leitfaden dazu veröffentlichen. Sehr hilfreich ist übrigens die Pariser Charta zu KI und Journalismus (deutsche Übersetzung findet sich hier). Wer sich daran orientiert, macht sicher nichts falsch.