Nr. 60/2002
Informationsfreiheit während Polizeieinsätzen im unfriedlichen Ordnungsdienst; Stellungnahme des Presserates vom 5. Dezember 2002

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I. Sachverhalt

A. Im Mai und Juni 2002 kritisierten Medienschaffende die Stadtpolizei Zürich für ihr Vorgehen bei der Sicherstellung von Bildmaterial von Pressefotografen. So erschien zum Beispiel am 6. Juni 2002 auf der Medienseite des «Tages-Anzeigers» ein Artikel mit dem Titel: «Reporter: Näher als die Polizei erlaubt». Darin wird beklagt, dass die Zürcher Stadtpolizei bereitwillig die Türen zu Polizeiwachen und Kripobeamten öffne, wenn es um Medienberichte im Stil von Publireportagen ginge. Hingegen habe die Stadtpolizei bei einer unbewilligten Kundgebung am 1. März 2002 die Medienschaffenden hinter eine Absperrung verwiesen, als Demonstranten mit Tränengas, Gummischrot und Wasserwerfern zusammengetrieben worden seien.

B. Am 23. Mai 2002 wandte sich die Mediengewerkschaft Comedia an die Öffentlichkeit und kritisierte Übergriffe auf Bildjournalisten bei Polizeieinsätzen der Zürcher Stadtpolizei im unfriedlichen Ordnungsdienst. Unter anderem seien am 1. Mai 2002 Medienschaffende durch Polizisten bei der Arbeit behindert, teilweise drangsaliert und auch verhaftet worden. Comedia kritisierte schon zuvor mehrmals, dass Fotografen und Videojournalisten im Einsatz bei Kundgebungen mit Festnahmen und der Beschlagnahmung von Filmmaterial rechnen müssten. Ausserdem forderte die Gewerkschaft, dass die Zürcher Stadtpolizei ihre bisher stets geheimgehaltenen internen Dienstanweisungen zum Umgang mit Medienschaffenden veröffentlicht.

C. An einem Mediengespräch am 29. Mai 2002 hielt der Kommandant der Zürcher Stadtpolizei, Philipp Hotzenköcherle, fest: «Wir weisen unsere Beamten im Ordnungsdienst-Einsatz an, von Konfiskationen abzusehen. Allerdings kommt es vor, dass einzelne Journalisten die Polizei bei der Erfüllung ihres Auftrages behindern, indem sie sich permanent in ihrer unmittelbaren Nähe aufhalten und sich auch vor angekündigten Polizeieinsätzen – trotz Aufforderung – nicht entfernen. Das allerdings stellt einen Grund bzw. für die Polizei die Pflicht dar, Personen – auch Journalisten -, die diesen Tatbestand erfüllen, festzunehmen. Mit einer solchen Festnahme ist – gemäss Strafprozessordnung – auch die Sicherstellung ihrer Effekten, inklusive Kamera und Filmmaterial, verbunden. Journalisten können gegenüber polizeilichen Anweisungen kein Ausnahmerecht geltend machen. Ihr Auftrag zur Berichterstattung wird von keiner Instanz als Rechtfertigungsgrund für das Nichtbefolgen polizeilicher Anweisungen bzw. die Hinderung einer Amtshandlung geschützt werden.»

D. Presserats-Präsident Peter Studer zeigte sich besorgt über die Vertrauenskluft zwischen Zürcher Stadtpolizei und Medien, die sich nach gewaltsamen Polizeieinsätzen einerseits, scharfer Medienkritik andererseits aufgetan habe. Er beantragte deshalb Ende Mai 2002 dem Plenum, die umstrittene Beschlagnahme von Bildmaterial von sich aus aufzugreifen und eine Stellungnahme dazu zu erarbeiten. Dieser Antrag wurde vom Plenum per 4. Juni 2002 gutgeheissen.

E. Gemäss Beschluss des Presseratsplenums vom 9. November 2001 haben Mitglieder, die den Antrag stellen, der Presserat solle von sich aus ein Verfahren einleiten, eine Beschwerdebegründung zu erstellen. Bei der nachfolgenden materiellen Behandlung der Beschwerde haben sie in den Ausstand zu treten. Seine Beschwerde vom 15. Juli 2002 begründete Peter Studer wie folgt: Die heutige Praxis der Zürcher Stadtpolizei verletze drei Punkte der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten». Und zwar Ziffer 1 und Richtlinie 2.1 der Pflichten, weil im unfriedlichen Ordnungsdienst der Bewegungsspielraum der Text- und Bildreporter zur verantwortungsvollen Wahrheitsermittlung nicht gewährleistet sei. Sowie Buchstabe a der Rechte, weil Text- und Bildreporter im unfriedlichen Ordnungsdienst der Zürcher Stadtpolizei weder freien Zugang zu öffentlichen Informationsquellen hätten, noch unbehindert ermitteln könnten. Peter Studer beantragte, praxisnahe Empfehlungen für den unfriedlichen Ordnungsdienst auszuarbeiten sowie die medienethischen Regeln zur Unschuldsvermutung und zum Grundsatz der Nichtidentifizierung bei der Berichterstattung über angebliche Polizeiübergriffe zu bestätigen.

F. Das Präsidium des Presserates übertrug die Behandlung der Beschwerde der 3. Kammer, der Esther Diener-Morscher als Kammerpräsidentin sowie Judith Fasel, Gina Gysin, Peter Liatowitsch, Roland Neyerlin, Daniel Suter und Max Trossmann angehören. Die Kammer behandelte die Beschwerde an ihren Sitzungen vom 15. August, 17. Oktober und 5. Dezember 2002.

G. Am 1. November 2002 gab die Stadtpolizei Zürich in einer Medienmitteilung bekannt, gemäss einem an diesem Tag eingegangenen Urteil des Bundesgerichts sei einem beschwerdeführenden Journalisten das Recht zugestanden worden, in die zwei Dienstanweisungen Einsicht zu nehmen, welche das Verhalten der Polizeiangehörigen gegenüber den Medienschaffenden regelten. Im Rahmen einer offenen Informationspolitik stelle das Kommando der Stadtpolizei Zürich den Medien die zur Frage stehenden Dienstanweisungen zur Verfügung. Die Dienstanweisung Nr. 8903 sei überarbeitet worden. Insbesondere sei der Hinweis auf die Möglichkeit der polizeilichen Sicherstellung von Bildträgern wegen des Verdachts auf unzulässige Porträtaufnahmen von Polizeiangehörigen bewusst weggelassen worden. Neu seien hingegen die Voraussetzungen und das Vorgehen bei der Sicherstellung von Bild- und Tonträgern zur Beweissicherung von strafbaren Handlungen aufgenommen worden. Dabei sei auch der seit 1998 geltende Quellenschutz von Art. 27bis StGB berücksichtigt worden.

Das Bundesgericht führt in seinem Urteil vom 18. Oktober 2002 (1P.240/2002 /RrF, Erw. 3.2.1) aus, der Beschwerdeführer «kann mit guten Gründen geltend machen, durch die Dienstanweisungen in seiner praktischen Tätigkeit als Medienschaffender (…) betroffen zu sein. (…) Der Beschwerdeführer ist von konkreten Massnahmen wie der Festnahme und der Beschlagnahmung und Visionierung des Foto- und Videomaterials betroffen gewesen. Diese Massnahmen sind klarerweise mit den Dienstanweisungen in Zusammenhang gebracht worden. Bei dieser Sachlage besteht ein schutzwürdiges Interesse daran, in die Dienstanweisungen Einblick zu nehmen, sei es, um das Vorgefallene nachträglich beurteilen zu können, sei es, um sich in Zukunft bei entsprechenden Gelegenheiten Ðregelkonform? und ohne Risiko vor weiteren Massnahmen verhalten zu können.»

II. Erwägungen

1. Die Vertrauenskluft zwischen Polizei und Medienschaffenden in Zürich betrifft auch Bereiche, die Gegenstand der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» sind. Das Recht der Medienschaffenden auf freien Zugang zu öffentlichen Informationsquellen und auf unbehinderte Ermittlung der Wahrheit («Erklärung der Rechte», Buchstabe a) sowie die Pflicht der Medienschaffenden, die Informationsfreiheit zu verteidigen (Richtlinie 2.1 zur «Erklärung»), kann im Einzelfall zum Konflikt mit der Polizei führen, die sich durch die Medienschaffenden in ihrer Arbeit behindert und zum Teil auch im Persönlichkeitsrecht verletzt sieht (Ziffer 7 der «Erklärung der Pflichten»).

2. Es würde die Möglichkeiten des Presserats übersteigen, den genauen Ablauf der Konflikte zwischen der Zürcher Stadtpolizei und den betroffenen Medienschaffenden in einem Beweisverfahren aufzuarbeiten und alle Seiten angemessen anzuhören. Der Presserat kann aber, ohne die konkreten Vorkommnisse zu werten, Stellung dazu nehmen, welche für die Medienschaffenden relevanten Praktiken und Massnahmen bei Polizeieinsätzen im unfriedlichen Ordnungsdienst grundsätzlich mit den medienethischen Forderungen der «Erklärung» vereinbar sind und welche nicht. In wie weit die Medienschaffenden bei den konkreten Fällen die medienethischen Pflichten einhielten oder einhalten konnten, muss demgegenüber offen bleiben.

3. a) Ziffer 1 der «Erkläru
ng» verpflichtet die Medienschaffenden dazu, sich vom Recht der Öffentlichkeit leiten zu lassen, die Wahrheit zu erfahren. Sie müssen gemäss Richtlinie 2.1 zur «Erklärung» die Freiheit der Information verteidigen. Und sie haben gemäss Buchstabe a der «Erklärung der Rechte» auch freien Zugang zu allen Informationsquellen und die Freiheit zur unbehinderten Ermittlung aller Tatsachen, die von öffentlichem Interesse sind. Die Geheimhaltung öffentlicher oder privater Angelegenheiten kann dabei den Journalistinnen und Journalisten gegenüber nur in Ausnahmefällen und nur mit klarer Darlegung der Gründe geltend gemacht werden.

b) Das Verhalten von Polizisten und anderen Beteiligten im unfriedlichen Ordnungsdienst ist von öffentlichem Interesse. Medienberichte ermöglichen eine gewisse Kontrolle darüber, wie das Gewaltmonopol des Staates durch die Polizei wahrgenommen wird. Diese stellvertretend für die Öffentlichkeit ausgeübte Kontrolle ist gerade in besonders heiklen Situationen nicht gewährleistet, wenn Text- und Bildreporter bei Polizeieinsätzen im unfriedlichen Ordnungsdienst weggewiesen werden.

4. Wenn sich Medienschaffende bei ihren Berichten einzig auf die Angaben der Medienstelle der Polizei stützen können, kommen sie ihrer Pflicht zur Wahrheitssuche und zur Verteidigung der Informationsfreiheit ungenügend nach. Sie müssen sich darüber hinaus auch ein eigenes Bild von den Vorkommnissen machen können. Dazu ist es unabdingbar, dass die Journalistinnen und Journalisten bei Polizeieinsätzen vor Ort anwesend sind. Wünschbar wäre es zudem, dass sie einzelne Polizeibeamte und -beamtinnen direkt befragen könnten. Doch ist es nach medienethischen Gesichtspunkten nicht grundsätzlich unhaltbar, wenn sich Medienschaffenden für gewisse Informationen an eine zentrale Auskunftsstelle verweisen lassen, wie dies in der offenbar unverändert geltenden Dienstanweisung 8201 der Stadtpolizei Zürich vom 30. März 1982 vorgesehen ist. Solche Medienstellen sind auch bei anderen Behörden und bei Firmen üblich. Nur darf dadurch der Informationsfluss nicht beeinträchtigt werden. Die Medienstelle sollte aktuell, wenn möglich sogar vor Ort informieren können. Es ist aus der Sicht der Leserschaft nicht nachvollziehbar, wenn Medien erst mit ein- oder zweitägiger Verzögerung über Vorfälle bei Polizeieinsätzen informieren können, weil die Medienstelle der Polizei zur Zeit des Ereignisses nicht erreichbar war oder keine Informationen vermitteln konnte.

5. a) Zur Wegweisung von Medienschaffenden äusserte sich der Regierungsrat des Kantons Zürich gemäss dem entsprechenden Protokollauszug anlässlich des Rekurses eines betroffenen Fotografen an seiner Sitzung vom 6. März 2002 wie folgt: «Gerade bei Einsätzen im unfriedlichen Ordnungsdienst ist die Möglichkeit von Störungen und Gefährdungen besonders hoch, und die Polizei kann alle Personen, die zur Störung oder Gefährdung beitragen, den entsprechenden polizeilichen Einsatz stören oder die sich durch ein Verbleiben an Ort einer Gefährdung aussetzen, wegweisen.» Und André Müller, Chef des Rechtsdienstes der Stadtpolizei Zürich, äusserte sich in einem Artikel im «Tages-Anzeiger» vom 6. Juni 2002 wie folgt: «Es besteht die Gefahr, dass in heiklen Situationen Medienschaffende nicht mehr von gewaltbereiten Demonstranten unterschieden werden können. Es geht uns eben auch darum, Journalisten vor gewalttätigen Auseinandersetzungen zu schützen.»

b) Mit der Begründung, Medienschaffende könnten sich mit dem Verbleib an einer Kundgebung einer Gefährdung aussetzen oder die Polizeiarbeit stören, kann sich die Polizei allerdings jeglicher medialen Kontrolle ihrer Tätigkeit entziehen, was unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Kontrolle der Tätigkeit staatlicher Behörden inakzeptabel ist. Ebenso wenig dürfen sich Journalistinnen und Journalisten solches unter dem Gesichtspunkt der «Erklärung der Pflichten und Rechte» gefallen lassen. In der Regel verhalten sich Journalist/innen und Fotograf/innen anders als gewalttätige Demonstrantinnen. Sie bewegen sich mehr am Rande des Geschehens und sollten als unbeteiligte Dritte zu erkennen sein. Zur Vermeidung einer allfälligen Verwechslungsgefahr zwischen Medienschaffenden und Teilnehmer/innen von Kundgebungungen gibt es zudem die Möglichkeit, dass sich Medienschaffende speziell kennzeichnen, wie das zum Beispiel auch an grösseren Sportveranstaltungen oft der Fall ist.

6. Ziffer 4 der «Erklärung» auferlegt den Medienschaffenden die Pflicht, sich bei der Beschaffung von Informationen keiner unlauteren Methoden zu bedienen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es keinesfalls zu rechtfertigen, wenn Medienschaffende an einer unfriedlichen Kundgebung, über die sie berichten sollten, Polizeieinsätze vorsätzlich behindern oder stören. In solchen Fällen fällt auch die Berufung auf die Richtlinie 4.2 zur «Erklärung» (Zulässigkeit verdeckter Recherchen bei überwiegendem öffentlichen Interesse an einer Berichterstattung) ausser Betracht, da Informationen über Polizeieinsätze im unfriedlichen Ordnungsdienst ohne aktive Teilnahme beschafft werden können.

7. a) Bei der Veröffentlichung von Bildaufnahmen müssen sich Medienschaffende an Ziffer 7 der «Erklärung» halten. Danach haben sie die Privatsphäre von Personen zu respektieren, sofern das öffentliche Interesse nicht das Gegenteil verlangt. Auch Polizistinnen und Polizisten haben grundsätzlich einen Anspruch auf Wahrung ihrer Privatsphäre. Dies gilt auch in Bezug auf die Veröffentlichung von Fotografien oder Filmaufnahmen (Richtlinie 7.3 zur Erklärung; Recht am eigenen Bild). Im Einzelfall ist dementsprechend abzuwägen zwischen der im öffentlichen Interesse liegenden, stellvertretend durch die Medien wahrgenommenen, Kontrolle von – naturgemäss in der politischen Auseinandersetzung meist umstrittenen – Polizeieinsätzen im unfriedlichen Ordnungsdienst und dem legitimen Anspruch der einzelnen Polizistinnen und Polizisten, nicht als individuelle Zielscheibe der Medienberichterstattung blossgestellt zu werden.

b) Der Presserat ist in der Stellungnahme 6/99 i.S. X. c. «Blick» / «SonntagsZeitung» zum Schluss gelangt, dass der Name eines höheren Justizbeamten in der Medienberichterstattung genannt werden darf, wenn gegen diesen schwerwiegende und konkrete strafrechtliche Vorwürfe erhoben werden, die in einem direkten Zusammenhang mit seinem Amt stehen und die das gute und unabhängige Funktionieren der Justiz in Frage stellen. In analoger Übertragung dieser Überlegung auf die Bildberichterstattung ist zu folgern, dass eine einen einzelnen Beamten identifizierende Bildberichterstattung bei Polizeieinsätzen im unfriedlichen Ordnungsdienst umso eher zu rechtfertigen ist, je höher die Funktion des Betroffenen im Polizeikorps anzusiedeln ist.

c) In der Stellungnahme 50/2001 i.S. M. c. «20 Minuten» hat der Presserat weiter darauf hingewiesen, dass wer im öffentlichen Raum freiwillig und bewusst für ein Anliegen demonstriert, damit rechnen muss oder zumindest in Kauf nimmt, dass die Medien über diesen Anlass gegebenenfalls mit identifizierenden Bildern berichten. Im Gegensatz zu privaten Situationen, bei denen der Schutz der Privatsphäre die Einwilligung des Betroffenen erfordert, müssen Medienschaffende in solchen Situationen nicht danach fragen, ob sie fotografieren respektive filmen dürfen. Diese für Demonstrierende aufgestellten Grundsätze gelten auch für Polizeibeamt/innen. Wenn sie sich für diese berufliche Laufbahn entscheiden, üben sie – selbst wenn sie in einer unteren Hierarchiestufe tätig sind – eine öffentlich wahrnehmbare und der Kontrolle der Öffentlichkeit unterliegende Funktion aus. Dementsprechend haben sie es ebenso wie Demonstrant/innen in Kauf zu nehmen, wenn sie bei öffentlichen Einsätzen im Rahmen der Ausübung ihrer polizeilichen Funktion auch einmal in identifizierbarer Weise abgebildet werden. Der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Berichterstattung und dem Interesse auf Wahrung ihrer Privatsphäre sowie dem Gesichtspunkt der V
erhältnismässigkeit ist insbesondere bei der Auswahl des zu veröffentlichenden Bildmaterials (in der Regel keine Nahaufnahmen) Rechnung zu tragen. In eine ähnliche Stossrichtung zielt nun offenbar auch die überarbeitete Dienstanweisung der Stadtpolizei Zürich betreffend Bildaufnahmen von Polizeiangehörigen und Sicherstellung von Bild-, Ton-, und Datenträgern vom 18. Oktober 2002. Geht doch diese davon aus, dass sich Polizeiangehörige bei Erfüllung ihres Dienstauftrages grundsätzlich im Gemeinbereich bewegen und deshalb auch durch identifizierende Bildaufnahmen nicht in ihrer Persönlichkeit verletzt werden. Ein Vorbehalt wird lediglich gegenüber eigentlichen aus nächster Nähe oder mit Teleobjektiv gemachten Porträtaufnahmen angebracht, denen das Recht am eigenen Bild entgegenstehe.

8. Keinesfalls vermag es der Schutz der Privatsphäre von Polizistinnen und Polizisten aber zu rechtfertigen, Bildmaterial von Journalistinnen und Journalisten vorsorglich zu beschlagnahmen, zu visionieren oder zu vernichten. Medienschaffende haben gemäss der Richtlinie 6.1 zur «Erklärung» die Pflicht, das Redaktionsgeheimnis zu wahren und damit ihre Quellen (Notizen, Ton- und Bildaufnahmen) zu schützen. Wenn Medienschaffende der Polizei Filmmaterial und Bildaufnahmen abgeben müssen, widerspricht dies ihrer Berufspflicht. Selbst bei einer Verhaftung eines Journalisten und Beschlagnahme seiner Effekten, ist dieser berufsethisch verpflichtet, sich gegebenenfalls durch Ergreifung von Rechtsmitteln dagegen zur Wehr zu setzen, dass seine Aufnahmen polizeilich visioniert, verwertet oder vernichtet werden. Die bereit erwähnte überarbeitete Dienstanweisung 8201 der Stadtpolizei Zürich hält ihrerseits ausdrücklich fest, dass eine Sicherstellung von Bildträgern oder Kameras auch dann zu unterlassen ist, wenn eine Bildaufnahme nach Auffassung des betroffenen Polizeibeamten in unzulässiger Weise in dessen Privatsphäre eingreift. Ebenso wird in der genannten Dienstanweisung nun zumindest darauf hingewiesen, dass Berufsjournalist/innen nach Massgabe von Art. 27bis StGB die Herausgabe des von ihnen erstellten Bild-, Ton- und Datenmaterials zum Zwecke der Abklärung von Straftaten Dritter verweigern können.

9. Nachdem sich mit der via Bundesgericht erzwungenen Einsichtnahme in die beiden Dienstanweisungen und aufgrund der von der Stadtpolizei Zürich offenbar gegenüber der früheren Fassung vorgenommenen Änderungen der Dienstanweisung 8201 die Standpunkte der Parteien zumindest inhaltlich angenähert haben dürften, erscheint es aus Sicht des Presserates wünschbar, dass Stadtpolizei Zürich und die Verbände von Medienschaffenden im gemeinsamen Gespräch versuchen, sich auf Verhaltensregeln zu einigen, die sowohl die Bedürfnisse der Polizei als auch die berufsethischen Pflichten und Rechte der Medienschaffenden angemessen berücksichtigen. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Frage der Wegweisung von Medienschaffenden bei Einsätzen im friedlichen Ordnungsdienst zu denen sich die beiden Dienstanweisungen nicht explizit äussern.

III. Feststellungen

1. Es widerspricht der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten», wenn Medienschaffende bei Polizeieinsätzen im unfriedlichen Ordnungsdienst weggewiesen werden. Medienschaffende dürfen bei der Beschaffung von Informationen jedoch keine Polizeieinsätze behindern oder stören.

2. Es ist grundsätzlich mit den berufsethischen Grundsätzen vereinbar, wenn Medienschaffende für Auskünfte über Polizeieinsätze an eine zentrale Medienstelle verwiesen werden, sofern diese aktuelle Informationen liefert und gegebenenfalls auch am Ort des Geschehens präsent ist. Die Auskünfte einer Medienstelle einzuholen kann die eigene journalistische Recherche vor Ort jedoch nicht ersetzen.

3. Polizeibeamte nehmen eine öffentlich wahrnehmbare und der Kontrolle der Öffentlichkeit unterliegende Funktion wahr. Sie müssen deshalb in Kauf nehmen, bei der Ausübung ihrer polizeilichen Funktion auch einmal in identifizierbarer Weise in den Medien abgebildet zu werden. Der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Berichterstattung und dem Interesse auf Wahrung der Privatsphäre von Polizeibeamt/innen sowie dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit ist insbesondere bei der Auswahl des zu veröffentlichenden Bildmaterials Rechnung zu tragen. Die einen einzelnen Beamten identifizierende Bildberichterstattung ist umso eher zu rechtfertigen, je höher die Funktion des Betroffenen im Polizeikorps anzusiedeln ist.

4. Keinesfalls vermag es der Schutz der Privatsphäre von Polizistinnen und Polizisten aber zu rechtfertigen, Bildmaterial von Journalistinnen und Journalisten vorsorglich zu beschlagnahmen, zu visionieren oder zu vernichten. Medienschaffende sind berufsethisch verpflichtet, das Redaktionsgeheimnis zu wahren und ihre Quellen zu schützen. Sie haben sich gegebenenfalls durch Ergreifung von Rechtsmitteln dagegen zur Wehr zu setzen, dass Bildaufnahmen polizeilich visioniert, verwertet oder vernichtet werden.

5. Die Stadtpolizei Zürich und die Verbände von Medienschaffenden sollten versuchen, sich im gemeinsamen Gespräch auf Verhaltensregeln zu einigen, die sowohl die Bedürfnisse der Polizei als auch die berufsethischen Pflichten und Rechte der Medienschaffenden angemessen berücksichtigen.